HELEN-ABBOTT-PREISTRÄGER 2003

Villa Kobe, Halle/Saale

30.September 2004 – 24. Oktober 2004
Bouet vor "Reiter" von 2003, Villa Kobe Foto: Günther Bauer

Tag um Tag ein Ölgemälde

Mitteldeutsche Zeitung
01.10.2004
Günter Kowa

Wofür steht die Edel-Adresse unter den halleschen Galerien, die Kunsthalle Villa Kobe? Die Frage ist seit dem am Donnerstag eröffneten Ausstellungs-Doppelpack noch etwas schwieriger zu beantworten. Während das Erdgeschoss der weiß getünchten einstigen Fabrikantenvilla die diesjährigen "Helen-Abbott"-Preisträger und damit die entschieden konservative Gesinnung des spendablen amerikanischen Stifters ins Licht rückt, gibt die bayerische Vertretung im Verein "Kunst-Halle" zwei gestandenen Nicht-Gegenständlichen aus dem tiefen Süden Platz im Obergeschoss.
Ohne dass es so gewollt gewesen wäre, gerät man jedenfalls in einen Aufstand der Underdogs. Denn nach eigenem Bekunden geht es dem Initiator des "Helen-Abbott-Preises" um die Förderung der verkannten Kunst des Gegenständlichen, einschließlich der Fotografie und der Plastik, während die oben vorgestellten jüngeren Vertreter des abstrakten Genres, Roland Kronschnabl (geboren 1960) und Christian Kromath (geboren 1961), im Windschatten modischer Gegenständlichkeit Leipziger und Dresdener Prägung gleichfalls um Wahrnehmung kämpfen müssen.
Der Preisstifter hat den halleschen Fotografen Gert Kiermeyer und den in Gommern lebenden Ronald-Paris-Schüler Christoph Bouet der nicht unbeträchtlichen Summe für würdig befunden. Kiermeyer, der nach eigenem Bekunden in kein Schema passen will, hat den Ruf nach handwerklichem Können in eine Serie intensiver, geradezu meditativer Studien des industriellen Niedergangs umgemünzt. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus verlassenen Fabriken und brachgefallenen Produktionsstätten legen noch einmal eine passende melancholische Stimmung aus Licht und Schatten über eine Szenerie des Untergangs.
Während in diesen Arbeiten der Wille zu einer wenn auch nicht mehr ganz neuen Auseinandersetzung mit Gegenwart erkennbar ist, steht man doch verblüfft vor den Bildern eines erklärten Rückzugs bei Christoph Bouet. Man braucht seine Landschaftsmalerei aus einem begrenzten, persönlich gefärbten Motivradius durchaus nicht konventionell zu nennen. Sie ist handwerklich virtuos und steckt voller Anleihen aus einem Horizont von Courbet und Constable bis zu Slevogt und Liebermann.
Da ist ein Künstler, der sich genötigt fühlt, Tag um Tag ein Ölbild gleichen Formats im Freien zu malen und seiner Sehnsucht nach einer intakten Welt Gestalt in gefilterten Naturschilderungen zu geben. Das ist ein anachronistisches Phänomen eigener Güte, von dem jede Nachfrage nach zeitgenössischer Relevanz abperlt wie von einer Wachsfigur Madame Tussauds.

Fast fühlt man sich angesichts der wohl zufälligen Konfrontation mit den Arbeiten aus Süddeutschland an Debatten erinnert, die zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei um das Wahrheitsprimat geführt wurden. Denn die These der letzteren, dass Wahrnehmung keinen erkennbaren Gegenstand braucht, wird bei Kronschnabl mit einer Version tektonisch aufgebauter, analytischer Abstraktion, bei Kromath solcher von "sinnlicher Impulsivität" umgesetzt.
Dieser nimmt gar für sich in Anspruch, Körperlichkeit und Abstraktion zu vereinen. Während Kronschnabl gitterartige Netze flächig über die Leinwand legt, scheinen bei ihm eher organische Formen auf, öffnet sich der Bildraum schichtweise in die Tiefe, werden Dichte und Transparenz gegeneinander gesetzt. Kromaths Ringen um Ganzheit, um das Ausschließen von Beliebigkeit, hat etwas Berührendes, als wolle er noch einmal zurück zu den ureigenen Anliegen der abstrakten Malerei.

Unbekannter fördert Kunst

Mitteldeutsche Zeitung
2003
Claudia Crodel

Anerkennung für zwei Hallenser - Je 25 000 Euro für neue Projekte

Der Maler Christoph Bouet und der Fotograf Gert Kiermayer erhielten gestern in der Kunsthalle Villa Kobe in Halle den Helen-Abbott-Förderpreis für bildende Kunst. Die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung initiierte ein Mäzen. Damit soll gegenständliche Kunst auf den Gebieten von Malerei, Grafik, Bildhauerei und Fotografie gefördert werden.
Seit 1996 wird der Preis jährlich in einem anderen Bundesland Deutschlands vergeben. "Der Mäzen, ein Kunstliebhaber und Banker aus den USA, der ungenannt bleiben will, hat den Preis aus Freude über die Wiedervereinigung Deutschlands ins Leben gerufen", erklärt Richard Crisler, Kurator des Abbott-Preises.
Seinen Namen erhielt der Kunstpreis nach der Großmutter mütterlicherseits des Sponsors, die dieser sehr verehrt habe.
25 Künstler wurden in Sachsen-Anhalt angeschrieben und zur Bewerbung eingeladen. Bouet schickte 15 Ölgemälde, die von einer Kanadareise inspiriert waren und auf denen er unberührte Landschaften eingefangen hat. Kiermeyer reichte unter anderem eine Fotoserie ein, die bis Mitte der 90-er Jahre beim Abriss der chemischen Werke Buna entstand. Die Anerkennung ist verbunden mit der Realisierung eines künstlerischen Vorhabens nach freier Wahl der Preisträger. Die Ergebnisse sollen im nächsten Jahr in einer Ausstellung in der Villa Kobe präsentiert werden. Christoph Bouet, der für die Erhaltung unverwechselbarer Landschaften plädiert, möchte an der Elbe "in Bildern von dem Strom erzählen".